Das Sechste Haus
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 Betreff des Beitrags: Philosophie und Gedichte
BeitragVerfasst: Mi 29. Apr 2009, 21:30 
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Gildenmitglied

Registriert: Sa 1. Mär 2008, 19:10
Beiträge: 1484
Das musste ja kommen ;P

Hier erst mal ein Auszug aus "Die Kunst des Liebens" von Erich Fromm. Kannte ich selbst nicht, bis man mir einen handgeschriebenen Gedichtband mit der Passage darin schenkte, womit eigentlich die These von Erich Fromm auch bewiesen wäre ;)

Zitat:
Was gibt ein Mensch dem anderen?
Er gibt etwas von sich selbst, vom Kostbarsten, was er besitzt, er gibt etwas von seinem Leben. Das bedeutet nicht unbedingt, dass er sein Leben für den anderen opfert - sondern dass er ihm etwas von dem gibt, was in ihm lebendig ist; er gibt ihm etwas von seiner Freude, von seinem Interesse, von seinem Verständnis, von seinem Wissen, von seinem Humor, von seiner Traurigkeit - von allem, was in ihm lebendig ist. [...]

Er gibt nicht, um selbst etwas zu empfangen; das Geben ist an und für sich eine erlesene Freude.
Indem er gibt, kann er nicht umhin, im anderen etwas zum Leben zu erwecken, und dieses zum Leben Erweckte strahlt zurück auf ihn;...



So und jetzt noch eine Geschichte, die es irgendwie auch in sich hat:

Die Nachtigall und die Rose
von Oscar Wilde

Zitat:
"Sie hat gesagt, sie wolle mit mir tanzen, wenn ich ihr rote Rosen brächte", rief der junge Student; "aber in meinem ganzen Garten ist keine rote Rose."
Von ihrem Nest im Eichbaum her hörte ihn die Nachtigall, und sie schaute zwischen den Blättern hindurch und wunderte sich.
"Keine rote Rose in meinem ganzen Garten!" rief er, und seine schönen Augen füllten sich mit Tränen. "Ach, von was für kleinen Dingen hängt die Glückseligkeit ab! Ich habe alles gelesen, was die Weisen geschrieben haben, und alle Geheimnisse der Philosophie sind mir bekannt; doch weil mir eine rote Rose fehlt, ist mein Leben verdorben."
"Hier endlich ist ein wahrhaft Liebender", sagte die Nachtigall. "Nacht für Nacht habe ich von ihm gesungen, obschon ich nicht von ihm wusste; Nacht für Nacht habe ich den Sternen seine Geschichte erzählt, und nun sehe ich ihn. Sein Haar ist dunkel wie die Hyazinthenblüte, und seine Lippen sind rot wie die Rose seiner Sehnsucht; aber die Liebe hat sein Gesicht entfärbt zu blassem Elfenbein, und der Kummer hat ihm sein Siegel auf die Stirn gedrückt."
"Der Prinz gibt morgen Abend einen Ball", sagte der junge Student leise, "und die Geliebte meines Herzens wird unter den Gästen sein. Wenn ich ihr eine rote Rose bringe, will sie bis zum Morgen mit mir tanzen. Wenn ich ihr eine rote Rose bringe, soll ich sie in meinen Armen halten, sie wird ihren Kopf an meine Schulter lehnen, und ihre Hand wird sich in die meine schmiegen. Aber keine rote Rose ist in meinem Garten - also werde ich einsam sitzen, und sie wird an mir vorübergehen. Sie wird keinen Blick für mich haben, und mein Herz wird brechen."
"Dies ist wirklich der wahrhaft Liebende", sagte die Nachtigall. "Was ich singe, das erduldet er: was mir Freude ist, für ihn ist's Pein. Gewiss, die Liebe ist etwas Wundervolles. Sie ist kostbarer als Smaragde und teurer als edle Opale. Für Perlen und Granatäpfel ist sie nicht zu erkaufen, noch wird sie auf den Märkten feilgeboten. Sie kann nicht von Kaufleuten gehandelt noch auf der Waage gewogen werden wie Gold."
"Die Musikanten werden auf der Empore sitzen", sagte der junge Student, "und auf ihren Saiteninstrumenten spielen, und die ich liebe, wird zum Klang der Harfe und der Geige tanzen. So leicht wird sie tanzen, dass ihre Füße den Boden nicht berühren, und die geputzten Höflinge in den bunten Kleidern werden sie umdrängen. Doch mit mir wird sie nicht tanzen, denn ich kann ihr keine rote Rose geben." Und er warf sich ins Gras und vergrub sein Gesicht in den Händen und weinte.
"Warum weint er?" fragte ein kleines grünes Eidechschen, während es erhobenen Schwanzes an ihm vorüberlief.
"Ja, warum denn?" sagte ein Schmetterling, der tänzelnd hinter einem Sonnenstrahl herjagte.
"Ja, warum denn?" wisperte ein Gänseblümchen mit sanfter, zarter Stimme seiner Nachbarin zu.
"Er weint wegen einer roten Rose", sagte die Nachtigall.
"Wegen einer roten Rose!" riefen sie alle. "Oh, ist das aber komisch!"
Und das Eidechschen, das so etwas wie ein kleiner Zyniker war, lachte laut heraus. Die Nachtigall jedoch begriff des Studenten Kummer, der den anderen verschlossen blieb; schweigend saß sie in dem Eichbaum und sann dem Mysterium der Liebe nach. Plötzlich breitete sie ihre braunen Flügel zum Fluge und schwang sich hochauf in die Luft. Sie strich durch den Hain wie ein Schatten, und wie ein Schatten schwebte sie über den Garten. Inmitten des Rasenplatzes stand ein schöner Rosenstrauch, und als sie ihn erblickte, flog sie hin zu ihm und ließ sich im Gezweige nieder. "Gib mir eine rote Rose", rief sie, "und ich will mein süßestes Lied für dich singen."
Der Strauch aber schüttelte den Kopf. "Meine Rosen sind weiß", erwiderte er, "weiß wie der Schaum des Meeres und weißer als der Schnee auf den Bergen. Doch geh zu meinem Bruder, der jenseits der alten Sonnenuhr wächst, und vielleicht wird er dir geben, was du wünschest. "
Da flog die Nachtigall hin zu dem Rosenstrauch, der jenseits der alten Sonnenuhr wuchs. "Gib mir eine rote Rose", rief sie, "und ich will mein süßestes Lied für dich singen. "
Der Strauch aber schüttelte den Kopf. "Meine Rosen sind gelb", erwiderte er, "gelb wie das Haar der Meerjungfrau, die auf bernsteinenem Throne sitzt, und gelber als die Narzisse auf der Flur, bevor der Mäher mit der Sense kommt. Doch geh zu meinem Bruder, der unter des Studenten Fenster wächst, und vielleicht wird er dir geben, was du wünschest."
Da flog die Nachtigall hin zu dem Rosenstrauch, der unter des Studenten Fenster wuchs. "Gib mir eine rote Rose", rief sie, "und ich will mein süßestes Lied für dich singen. "
Der Strauch aber schüttelte den Kopf. "Meine Rosen sind rot", erwiderte er, "rot wie die Füße der Taube und röter als die Korallenfächer, die sich ohne Ende in der Meeresgrotte wiegen. Doch der Winter ließ meine Adern erstarren, und der Frost hat meine Knospen erstickt und der Sturm meine Äste gebrochen, und ich werde keine Rosen tragen in diesem ganzen Jahr."
"Eine einzige rote Rose begehre ich", rief die Nachtigall, "nur eine einzige rote Rose! Gibt es kein Mittel, sie zu erlangen?"
"Es gibt ein Mittel", antwortete der Strauch, "aber es ist so grausig, dass ich dir´s nicht zu nennen wage."
"Nenn es mir", sagte die Nachtigall, "ich fürchte mich nicht."
"Wenn du eine rote Rose willst", sagte der Strauch, "so musst du sie dir selber bilden aus Wohllaut im Mondenlicht und sie mit deinem eigenen Herzblut färben. Du musst für mich singen und deine Brust gegen einen meiner Dornen pressen. Die ganze Nacht lang musst du für mich singen, und der Dorn muss dein Herz durchbohren, und dein Lebensblut muss in meine Adern strömen und mein eigen werden."
"Der Tod ist ein hoher Preis für eine rote Rose", rief die Nachtigall, "und das Leben ist einem jeden sehr lieb. Es ist lustig, im grünen Wald zu sitzen und die Sonne in ihrem goldenen Wagen zu betrachten und den Mond in seinem Wagen aus Perlen. Lieblich ist der Duft des Hagedorns, und lieblich sind die Glockenblumen, die sich im Tal verstecken, und das Heidekraut, das auf den Hügeln wogt. Doch die Liebe ist größer als das Leben, und was ist das Herz eines Vogels gegen ein Menschenherz?" So breitete sie ihre braunen Flügel zum Fluge und schwang sich hochauf in die Luft.
Sie wehte über den Garten wie ein Schatten, und wie ein Schatten schwebte sie durch den Hain.
Der junge Student lag noch im Grase, wie sie ihn verlassen hatte, und die Tränen in seinen schönen Augen waren noch nicht getrocknet.
"Freue dich!" rief die Nachtigall, "freue dich, du sollst deine rote Rose haben. Ich will sie aus Wohllaut bilden im Mondenlicht und sie mit meinem eigenen Herzblut färben. Nichts sonst verlange ich dafür von dir, als dass du ein wahrhaft Liebender sein sollst, denn Liebe ist weiser als Weisheit, so weise die auch ist, und mächtiger als Macht, so mächtig diese ist. Flammenfarben sind ihre Fittiche, und ihr Leib ist von der Farbe der Flamme. Ihre Lippen sind süß wie Honig, und dem Weihrauch gleicht ihr Atem."
Der Student blickte aus dem Grase auf und horchte, aber er konnte nicht verstehen, was die Nachtigall zu ihm sprach: er wusste nur von den Dingen, die in Büchern aufgeschrieben sind. Doch der Eichbaum verstand sie und ward traurig, denn er liebte die kleine Nachtigall sehr, die ihr Nest in seinen Zweigen gebaut hatte.
"Sing mir ein letztes Lied", rauschte er, "ich werde mich sehr einsam fühlen, wenn du dahingegangen bist. "
Da sang die Nachtigall für den Eichbaum, und ihre Stimme war wie Wasser, das aus einem Silberkruge perlt. Als sie ihr Lied geendet hatte, erhob sich der Student und zog ein Notizbuch und einen Bleistift aus der Tasche. "Sie hat Talent für die Form", sprach er bei sich, während er durch den Hain hinwegschritt, "das ist nicht zu bestreiten; aber hat sie auch Seele? Ich glaube kaum. Nein, sie ist ebenso wie die meisten Künstler; sie ist ganz ohne Stil, ohne jede echte Empfindung. Sie würde sich nie für andere opfern. Sie hat nichts im Sinn als die Musik, und wie jedermann weiß, sind die Künste selbstsüchtig. Man muss ihr auch zugestehen, dass ihre Stimme einige sehr schöne Töne hat. Schade, schade, dass sie ohne Inhalt oder irgendwelchen praktischen Nutzen sind." Und er ging in seine Kammer, legte sich auf sein kleines Pritschenbett und begann, über seine Liebe nachzudenken; und nach einer Weile war er eingeschlafen.Und als der Mond von den Himmeln leuchtete, flog die Nachtigall zu dem Rosenstrauch und lehnte ihre Brust gegen den Dorn. Die ganze Nacht lang sang sie, die Brust gegen den Dorn gepresst, und der kalte kristallene Mond neigte sich herab und lauschte. Die ganze Nacht sang sie, und der Dorn drang tiefer und tiefer in ihre Brust, und ihr Lebensblut verrann aus ihr. Sie sang zuerst von der Geburt der Liebe im Herzen eines Jünglings und eines Mädchens. Und an dem höchsten Zweig des Rosenstrauches erblühte eine wundervolle Rose, Blatt um Blatt, wie Lied auf Lied folgte. Blass war sie vorerst wie der Nebel, der über dem Flusse hängt, blass wie die Füße des Morgens und silbern wie die Schwingen der Dämmerung. Wie das Schattenbild einer Rose in einem Silberspiegel, wie das Schattenbild einer Rose im Teich, so war die Rose, die an dem höchsten Zweig des Strauches erblühte. der Strauch rief der Nachtigall zu, sie müsse sich fester noch gegen den Dorn drücken. "Drück fester, kleine Nachtigall", rief der Strauch, "oder der Tag wird kommen, bevor die Rose vollendet ist."
Da presste sich die Nachtigall noch fester gegen den Dom, und voller und voller tönte ihr Lied, denn sie sang von der Geburt der Leidenschaft in der Seele von Mann und Weib. Und ein Anhauch von Lichter Glut stieg in die Blätter der Rose, so wie das Antlitz des jungen Gatten erglüht, wenn er die Lippen der Braut küsst. Aber der Dorn hatte das Herz noch nicht erreicht, und das Herz der Rose blieb weiß, denn nur einer Nachtigall Herzblut kann ein Rosenherz röten.Und der Strauch rief der Nachtigall zu, sie müsse sich fester noch gegen den Dorn drücken.
"Drück fester, kleine Nachtigall", rief der Strauch, "oder der Tag wird kommen, bevor die Rose vollendet ist."
Da presste sich die Nachtigall noch fester gegen den Dorn, und der Dorn traf ihr Herz, und heiße Schmerzenspein durchfuhr sie. Bitter, bitter war der Schmerz, und wilder und wilder erscholl ihr Lied, denn sie sang von der Liebe, die sich im Tod erfüllt, von der Liebe, die auch im Grab nicht stirbt. Und die wundervolle Rose färbte sich blutrot, gleich der Rose des östlichen Himmels. Blutrot war der Gürtel ihrer Blätter, und blutrot wie ein Rubin war das Herz. Aber der Nachtigall Stimme wurde schwächer, und ihre kleinen Flügel begannen zu zucken, und ein Flor legte sich über ihre Augen. Schwächer und schwächer tönte ihr Lied, und sie fühlte ein Ersticken in ihrer Kehle. Dann brach ein letzter melodischer Schrei aus ihr. Der weiße Mond vernahm ihn, und er achtete nicht des Frührots und blieb am Himmel stehen. Die rote Rose vernahm ihn, und bis ins Innerste erschauerte sie in Verzückung und öffnete ihren Kelch der kühlen Morgenluft. Das Echo trug ihn zu seiner Purpurhöhle in den Bergen und weckte die schlafenden Hirten aus ihren Träumen. Er schwebte durchs Röhricht am Flusse, und es trug seine Botschaft dem Meere zu. "Sieh, sieh!" rief der Rosenstrauch, "jetzt ist die Rose vollendet." Aber die Nachtigall antwortete nicht, denn sie lag tot im hohen Grase, den Dorn tief im Herzen.
Und zu Mittag öffnete der Student sein Fenster und sah hinaus.
"Nein, welch ein unglaubliches Glück!" rief er, "da ist eine rote Rose! In meinem ganzen Leben habe ich keine solche Rose gesehen. Sie ist so schön, dass sie bestimmt einen langen lateinischen Namen hat." Und er beugte sich hinaus und pflückte sie. Dann setzte er seinen Hut auf und lief mit der Rose in der Hand zum Haus des Professors. Des Professors Tochter saß in der Tür und wand blaue Seide auf eine Haspel, und ihr Hündchen lag zu ihren Füßen. "Sie sagten, dass Sie mit mir tanzen wollten, wenn ich Ihnen eine rote Rose brächte", rief der Student. "Hier ist die röteste von allen Rosen der Welt. Sie werden sie heute Abend zunächst Ihrem Herzen tragen, und wenn wir miteinander tanzen, wird sie Ihnen erzählen, wie sehr ich Sie liebe."
Aber das Mädchen zog ein mürrisches Gesicht. "Ich fürchte, sie wird nicht zu meinem Kleide passen", entgegnete sie, "und überdies hat mir der Neffe des Kammerherrn echte Juwelen geschickt, und jeder weiß, dass Juwelen viel mehr kosten als Blumen."
"Auf mein Wort", sagte der Student ärgerlich, "Sie sind sehr undankbar", und er warf die Rose auf die Straße. Sie fiel in den Rinnstein, und ein Wagenrad ging über sie hin.
"Undankbar?" sagte das Mädchen. "Ich will Ihnen etwas sagen: Sie sind unverschämt; und überhaupt, wer sind Sie eigentlich? Nichts als ein Student. Ich glaube, Sie haben nicht einmal silberne Schnallen an den Schuhen wie der Neffe des Kammerherrn." Und sie stand von ihrem Stuhle auf und ging ins Haus.
"Wie töricht ist doch die Liebe", sagte der Student, als er fortging. "Sie ist nicht halb so nützlich wie die Logik, denn sie beweist gar nichts und schwatzt einem immer Dinge vor, die nachher nicht eintreffen, und macht einem Dinge weis, die nicht wahr sind. Sie ist tatsächlich ohne jeden praktischen Wert, und da heutzutage Praktischsein die Hauptsache ist, werde ich zur Philosophie zurückkehren und Metaphysik studieren."
Damit ging er heim in seine Kammer, holte einen verstaubten Folianten hervor und fing an zu lesen.

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Ein Freund ist jemand, der dich mag, obwohl er dich kennt.
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