Vorgefertigte Klassen und strikte Trennung der Sphären Adventuring, Crafting und Diplomatie lassen euch nicht genug Freiheit bei der Charakterentwicklung?
Die Welt in Vanguard ist euch irgendwie zu klein?
Ihr mögt den Nervenkitzel und habt kein Problem damit, mehrere Millionen Kredits (die Währung in EVE) und möglicherweise wochenlange Arbeit innerhalb weniger Sekunden verlieren zu können?
Dann seid ihr bei EVE schonmal nicht völlig verkehrt. Wer jedoch beim Lesen der obigen Fragen oder generell beim Thema Science Fiction das selbe unwohle Gefühl in der Magengegend bekommt, wie ich beim Gedanken an ein Nacktfoto unserer Bundeskanzlerin, der sollte vielleicht lieber weiter Drachen und Trolle jagen, statt in die (fast) grenzenlosen Weiten des Alls aufzubrechen.
Ja, vor zwei Wochen habe ich angefangen, mich in ein Raumschiff gesetzt, und bin damit in Galaxien vorgestoßen, die noch nie ein Mensch... äh Elb zuvor gesehen hat.
Aller Anfang ist schwer......und das gilt auch in EVE. Wie eingangs schon angedeutet, läuft die Charakterentwicklung hier etwas anders ab, als man es von Vanguard, DAoC, WoW & Co gewohnt ist. Da man sich völlig frei entwickeln kann, sollte man sich früh überlegen, was man denn machen möchte. Möchte man durch Missionen oder als Kopfgeldjäger sein Geld verdienen? Oder lieber als Miner, der Erze aus Asteroiden abbaut und diese dann veredelt um daraus dann verschiedenste Güter zu produzieren? Oder als fliegender Händler durch das Universum streifen? Oder der Leiter einer riesigen Corporation (die Gilden in EVE) mit hunderten von Mitlgiedern werden? Oder von allem ein bißchen? Getreu dem Werbespot eines Autoherstellers: Nichts ist unmöglich.
Bei der Erstellung seines Charakters wählt man lediglich eine Rasse, dann noch Abstammung, verteilt die Attribute und wählt eine Laufbahn. Diese gibt aber nur vor, mit welchen Skills man startet: Als Soldat könnte man - das nötige Kleingeld vorausgesetzt - schon zu Anfang etwas stärkere Schiffe fliegen, als Miner erhält man dagegen bessere Werte zum Abbau und zur Veredelung der Erze. Aber: Nichts und niemand zwingt einen, den anfangs eingeschlagenen Pfad auch ewig weiter zu beschreiten.
Nur hier liegt auch schon das kleine Problem: Alle Skills basieren auf zwei Attributen. Je höher diese sind, desto schneller trainiert man die dazugehörigen Skills. Hat man sich also beim ersten Betreten des Universums für die Karriere eines Bergarbeiters entschieden, so braucht dieser höchstwahrscheinlich länger für das Training der kampforientierten Skills, als ein ausgebildeter Kämpfer. Möchte man also einen Charakter, der alles kann, so sollte man die Attribute eben möglichst gleichmäßig verteilen, was dann dazu führen kann, dass man in allen Bereichen langsamer vorankommt, als ein auf eine Richtung ausgelegter Charakter.
In solch schlichten und übersichtlichen Menüs erstellt man seinen Charakter. Alle Texte im Spiel sind (fast) komplett in deutsch verfügbar, nur die (auf Dauer nervige) Sprachausgabe ist in englisch.
Die relativ vielen Einstellungsmöglichkeiten für des Spielers Konterfei sind zwar nett, aber eher zweitrangig. Im Universum selbst wird jeder Charakter sowieso nur durch ein Portrait dargestellt.
Gut Ding will Weile habenDie Entwicklung des Individuums im Spiel selbst ist ebenso langwierig wie frei. Theoretisch sind zwar drei Charaktere pro Account möglich, aber aufgrund der Tatsachen, dass zeitgleich nur ein Charakter pro Account einen einzelnen Skill trainieren kann und dass die Trainingszeit für Skills in höheren Leveln schonmal einige Tage und Wochen dauern kann, beschränkt man sich doch lieber auf eine einzige Figur. Die gute Nachricht: Das Training der Fertigkeiten läuft auch weiter, wenn man nicht online ist. So verliert man auch während einer längeren Pause (z.B. wegen Urlaubs oder Unlust) nicht zwingend den Anschluss, muss sich jedoch auch im Klaren darüber sein, dass den "Erstgeborenen" im Universum ein gewisser elitärer Sonderstatus zu Gute kommt, da man sie in Punkto Fähigkeiten niemals einholen kann.
Finanziell ist man zwar schnell so weit, dass man sich etwas bessere Ausrüstung kaufen kann (einige 100.000 Kredits hat man schnell zusammen), aber für die wirklich guten Skills, Schiffe und entsprechende Ausstattung benötigt man dann angesichts dreistelliger Millionenbeträge (oder gar Milliarden) auch die eine oder andere Stunde Spielzeit.
Selbst das löschen eines Charakters braucht hier seine Zeit. Während man bei anderen Spielen nach dem Terminierungsbefehl meist nur ein bestätigendes Wort (Charaktername, Löschen, Yes, etc) eintippen muss, um seinen virtuellen Vertreter in die ewigen Bytejagdgründe zu schicken, ist hier nach dem Klick auf den Löschen- und dem Ja-Button eine 10 stündige Wartefrist von Nöten, um seine Figur nun endgültig aus dem Antlitz des Universums tilgen zu können.
Äh, und was nun?Nach dem Erstellen eines Charakters und dem Betreten des Universums folgt ein kurzes Tutorial, welches einen (sehr) kleinen Einblick in die Möglichkeiten von EVE gibt. Man lernt sich im Universum zu bewegen, gegen Feinde zu kämpfen und deren Wracks zu plündern, Asteroiden auszuschlachten und nimmt auf einer Raumstation die ersten beiden Missionen an, in deren Verlauf man noch erklärt bekommt, wie man in benachbarte Sonnensysteme reist. Alles weitere bleibt erstmal unerwähnt. Zwar gibt es zu jedem Menü dann noch ein kurzes seperates Tutorial, aber auch diese beschreiben nur einige wenige der vorhandenen Details. Alles in allem kommt man sich nach Beendigung der Einführung ein wenig vor, wie ein kleines Kind, dem man Lesen, Sprechen, Laufen und Jagen beigebracht und dann ohne weitere Hilfe an einer Raststätte ausgesetzt hat. Dies ist der Preis, den man für die enorme Freiheit im Spiel zahlen muss - man bekommt grob erzählt, was möglich ist, was man daraus macht, muss man selbst sehen.
An solchen Raumstationen kann man handeln, Missionen annehmen, Schiffe ausrüsten und reparieren und noch einiges mehr. Die Größenverhältnisse wirken "realistisch" (im kleinen roten Kreis befindet sich mein Schiff) und das Design dieser Gebilde ist selbst innerhalb einer Rasse ziemlich unterschiedlich.
Leider kann man sich nicht frei bewegen - alles läuft über die Menüs am linken und rechten Bildschirmrand ab. Ein wenig umsehen kann man sich durch drehen und zoomen der Kamera, aber mehr geht nicht.
Über dieses Fenster läuft das Handeln mit anderen Spielern ab - vergleichbar mit dem Broker in Vanguard, aber mit einigen Optionen mehr.
Die Reisen innerhalb eines Systems können schon relativ weit gehen. Der Warpantrieb hilft größere Entfernungen schnell zu überwinden.
Um jedoch von einem System ins nächste zu kommen, benötigt man solche Sprungtore.
Nichts für schwache NervenDas große weite All kann mit unter schon ziemlich gefährlich werden; und das nicht nur durch bytegesteuerte Piraten und anderes Gesocks, sondern insbesondere durch die (mehr oder minder) intelligenten Mit- oder besser gesagt Gegenspieler. Wer beim verlieren einer Masche beim abendlich Stricken vor dem Fernseher schon kurz vor einem Herzinfarkt steht, sollte vor einem längeren Ausflug im EVE-Universum besser eines Jahresvorrat an Beruhigungspillen in Reichweite liegen haben. Zwar sind die Startgebiete aufgrund der hohen Polizeipräsenz ziemlich sicher, aber je weiter man sich von diesen in die Randzonen entfernt, desto größer ist die Gefahr ins virtuelle Gras zu beissen. Dies kann je nach Situation schon ziemlich verheerend sein.
Zwei Dinge sind nach einem Abschuss auf jeden Fall verloren: Das aktuelle Schiff und die darin befindliche Ausrüstung inklusive Ladung. Zwar kann man - bis auf das Starterschiff - alle Vehikel versichern lassen, so dass ein völliger finanzieller Ruin zumindest teilweise verhindert wird, aber Waffen, Booster, Reperatureinheiten und sonstige technische Wunderspielzeuge werden nicht ersetzt. Zusätzlich zur (eventuellen) Versicherungssumme bekommt man noch ein Schiff gestellt, welches in der Ausstattung dem Gefährt beim Start des Spiels entspricht. Da dieses den anspruchsvollen Bedürfnissen des Hobbypiloten schon relativ bald im Spiel nicht mehr annähernd genügt, ist es mehr eine nette Geste, als eine wirkiche Widergutmachung.
Was einem ansonsten noch verloren geht, hängt etwas vom Gegenspieler und der eigenen Vorsorge ab. Nach der Zerstörung eines Schiffes landet der (Bruch-)pilot zunächst in einer Rettungskapsel. Kann man mit dieser fliehen oder ist der Gegner so nett, diese zu verschonen, so bleibt es beim oben erklärten Schiffs- und Ladungsverlust. Gerät man jedoch an die virtuelle Reinkarnation eines Hobbysaddisten, der einem auch das schwarze unter den Nägeln nicht gönnt, so kann es auch zu einem "Totalabschuss" (im Spiel "podden" genannt) kommen. Hierbei ist der Verlust noch etwas härter. Denn zum einen sind alle Implantate, welche man seinem Charakter zur Verbesserung der Attribute oder anderer Werte einsetzen kann, zerstört. Im schlimmsten Fall kann es sogar zu einem Verlust von Skills kommen. Diesem kann man jedoch durch so genannte Klone vorbeugen.
Hier hat es mich zum ersten Mal erwischt, als ich mich mutig in die Randzone des Universums vorwagen wollte. Die roten Quadrate links oben sind die schlecht gelaunten Spieler, die mein Schiff und auch meine Kapsel pulverisiert haben.
Nein, das ist nicht der Tagtraum eines unter zu viel Aufputschmitteln stehenden EVE-Spielers, sondern die Übersichtskarte der Galaxie. Mit dem aktivierten Filter sieht man die Sicherheitsstufen der Systeme: Die helleren in der Mitte sind die sicher(er)en, um die roten am Rand sollte man vorerst einen Bogen machen, sofern es einem nicht danach dürstet, seiner Existenz in EVE ein (kurzfristiges) Ende zu setzen.
Abwechslung in GrenzenSo zahlreich die Möglichkeiten in EVE auch sind, so schnell wiederholen sich doch die Abläufe. Die Kämpfe erforden ungefähr so viel taktisches Geschick, wie eine Partie Schach gegen einen Dreijährigen. Das Ziel anklicken, aufschalten, sich annähern oder umkreisen und mittels Mausklick oder durch die F-Tasten die verschiedenen Waffen oder sonstige Ausrüstung aktivieren. Dabei bleiben die Geschütze so lange aktiv, bis man sie entweder manuell ausstellt oder der Gegner das zeitliche gesegnet hat. Die sonstigen Gerätschaften die z.B. die Schilde schneller wieder aufladen oder die Panzerung reparieren, kann man dann je nach Bedarf (de-)aktivieren.
Ähnlich verhält es sich mit dem Universum. Zwar sehen Planeten, Stationen oder sonstige Gebilde durchaus unterschiedlich aus, aber aufgrund der enormen Weitläufigkeit der Systeme sieht man meist nicht viel mehr als schwarzen Hintergrund mit Sternen. Auch innerhalb der Stationen wiederholt sich das Bild doch sehr schnell - außerdem ist man dort eigentlich eh damit beschäftigt, sich durch die Menüs zu klicken, um Loot zu verkaufen, Schiffe auszurüsten, Missionen anzunehmen oder ähnliches.
Sach mal, habt ihr schon Mittach gemacht?Dieses Zitat eines norddeutschen Kultzeichentrickfilms geht einem durchaus öfter durch den Kopf, denn die Server werden hier täglich runter gefahren. Da diese aber in Island stehen und man dort etwas mehr Rücksicht auf die Bedürfnisse der Europäer nimmt, fallen diese Auszeiten (meist) auf die Zeit zwischen 12 und 13 Uhr (11 und 12 Uhr GMT). Sofern keine weiteren Probleme auftreten, ist der Spielserver aber auch pünktlich wieder erreichbar, und insbesondere zur Primetime muss man nicht in die (Bild-)Röhre schauen - wie gesagt: sofern.
Beim Stichwort Spielserver sind wir bei einem weiteren interessanten Punkt: Da weltweit nur ein einziger dieser Art zu existieren scheint, findet man eigentlich immer genügend Spieler im All. Selbst zu aus europäischer Sicht exotischen Zeiten, wie z.B. früh morgens oder mitten in der Nacht, sind meistens ca 20.000 Onlinepiloten unterwegs - zur hiesigen Hauptzeit am Abend sind es fast 40.000. Durch diese Internationalität findet die Kommunikation in den allgemeinen Chatkanälen natürlich (größtenteils) in englisch statt - bei den Corporations gibt es aber auch rein deutschsprachige.
Nicht blenden lassen sollte man sich von den täglichen Serverdowns. Diese lassen sich sehr viel besser einkalkulieren als die spontanen von SOE bei Vanguard und verlaufen auch meistens innerhalb der vorher angekündigten Frist.
I've been looking for freedomWer diese Textzeile eines mittlerweile in die Alkoholsucht abgestürzten Sängers aus den 90er Jahren als sein Lebensmotto betrachtet, wird bei EVE mit Sicherheit fündig. Es gibt so viel zu entdecken und zu erledigen, dass es einen fast erschlägt. Diese Freiheit hat aber auch ihren Preis. Zum einen die sehr langwierige Entwicklung des Charakters, zum anderen kommt man sich manchmal doch etwas allein gelassen vor. Wenn man sich aber erstmal ein bißchen auskennt und weiss, was man machen möchte, bietet dieses Spiel mit Sicherheit Spass für Wochen und Monate. Ein gewisses Maß an Geduld und vor allem eine nicht geringe Portion Nervenstärke aufgrund des hohen PvP-Anteils, sind natürlich die Grundvoraussetzungen, um sich hier überhaupt wohl fühlen zu können.
Wer sich selbst ein Bild von dem Spiel machen möchte, kann auf
eve-online.de einen zweiwöchigen Probeaccount erstellen. Den Klienten gibt es dort auch zum freien Download.
) Ganz unten gibt es dann noch ein Video, worin ein Feature gezeigt wird, dass angeblich dieses Jahr implementiert werden soll, und es einem ermöglicht, auf Raumstationen herum zu wandern. Das wäre echt genial, wenn sie das einbauen würden. 
